„Oma,
du hast kleine Beine, du kannst mit mir zusammen oben auf dem weißen Pferd
sitzen“, meinte der kleine Schelm.
„Ich
hab’ zwar kleine Beine, aber ich weiß nicht recht, wie ich auf das hohe Pferd
raufkommen soll und vor allem wieder runter. Nee, weißt du was, Jan? Ich habe
eine Idee. Wir beide setzen uns in eine Kutsche und fahren hinter dem weißen
Pferd. Das ist doch auch gut.“
So
machten wir es. Die Kutsche war genauso schön bemalt wie das Pferd. Wir stiegen
ein und saßen einander gegenüber. Der Kleine war zufrieden, vor allem, als es
dann endlich losging. Ich glaube, er war sogar ganz froh, dass er nicht hoch oben
auf dem Pferd sitzen musste.
Nach
ein paar Karussellrunden mit lustigem Gebimmel von „Jingle Bells“ gab’s an
einer Weihnachtshütte Kinderpunsch in bauchigen Heinzeltassen. Süß und lecker.
Wir standen unter einem Baum und schauten hoch auf unzählige rote Leuchtherzen.
Nein, nicht Leuchtkerzen. Leuchtherzen in der Lichterkette. Diese roten Herzen gibt’s
nur auf dem Heinzel-Weihnachtsmarkt in der Kölner Altstadt.
„Was
ist das für eine Figur ganz da oben, Oma?“, wollte Jan wissen.
„Das
ist das Denkmal für Jan von Werth.“
„Ist
der berühmt?“
„Berühmt
durch eine Sage, die man in Köln immer wieder erzählt. Willst du die Geschichte
hören?“
„Ja,
klar!“
„Also, Jan von Werth lebte vor langer, langer Zeit hier in Köln. Er war ein junger Knecht,
musste immer die blödesten Arbeiten machen. Aber er war schön und stark. Er verliebte
sich in eine junge Magd, die auch immer die blödesten Arbeiten machen musste.
Griet hieß sie und war auch schön und stark. Aber eingebildet.“
„Eingebildet?“
„Als
Jan sie fragte, ob sie mit ihm tanzen wollte, stampfte sie mit dem Fuß auf und
sagte nein. Sie bildete sich ein, ein König würde mit ihr tanzen und sie würde
Königin.“
„Wurde
sie Königin?“
„Es
kam kein König. Jan verließ Köln, wurde ein reicher General. Eines Tages kam er
auf einem Pferd durch das Severinstor in die Stadt geritten und traf Griet
wieder.“
„Was
war aus Griet geworden?“
„Sie
war immer noch Magd, aber nicht mehr jung, schön und stark.“
„Wollte
sie jetzt mit ihm tanzen?“
„Vielleicht,
aber er wollte nicht mehr mit ihr tanzen.“
„Und
jetzt steht er ganz da oben, Oma, das hat er verdient. Und was machen wir
jetzt?“
„Wir
geh’n mal in die Handwerkergasse, da schmiedet ein Schmied Hufeisen mit Namen,
ein Töpfer töpfert Heinzeltassen, ein Holzschnitzer schnitzt Heinzelmännchen.“
„Zu
dem will ich, Oma. Die Geschichte von den Heinzelmännchen hast du mir ja schon
erzählt. Sie haben heimlich nachts alles gemacht für die Leute. Heimlich. Doch
eine Frau war so blöd und hat Erbsen auf die Treppe gestreut. Da sind sie alle
runtergepurzelt und abgehauen. Für immer.“
„Nicht
ganz, Jan. Hier auf dem Heinzel-Weihnachtsmarkt sind sie ja für ein paar Wochen
wieder in Köln.“
Wir
schoben uns durch das Gedränge und schauten dem Holzschnitzer ein bisschen zu.
Er schnitzte gerade eine Krippenfigur. Aber viele Heinzelmännchen hatte er
schon fertig.
„Ich
möchte das mit den Fußballschuhen, Oma. Kannst du mir das kaufen?“
„Du
kannst es dir beim Christkind wünschen, Jan. Ich zeige dir jetzt, wie du das
machst.“
In
der Spielzeuggasse war ein Weihnachts-Postamt. Dort gab es Heinzel-Briefpapier,
-umschläge, –stempel und einen großen gelben Briefkasten. Viele Kinder waren
schon da. Wir mussten eine Weile warten, bis ein Schreibplatz frei war.
„Ich
weiß schon, was ich schreiben will“, meinte Jan. „Liebes Christkind in
Engelskirchen, ich wünsche mir ein Heinzelmännchen, das immer bei mir ist, wenn
ich Fußball spiele. Es schießt mir den Ball so zu, dass die anderen Kinder ihn
mir nicht wegschnappen können. Ich schieße ihn dann ins Tor und werde berühmt.
Dein Jan.“
Ich
half ihm ein bisschen bei Schreibarbeit, stempeln, Blatt falten, in den
Umschlag stecken, den auch beschriften. Dann hatten wir uns was Süßes verdient.
Beim Bonbonmacher in der Naschgasse bekamen wir Lollis in rotweiß.
Mehr Weihnachtsgeschichten: