Nein, nicht schon wieder! Ist mir dieser Hampel mit Tarnhose doch
glatt vom Bahnhof bis hierher zum Marktplatz gefolgt. Rotzfrech stellt er einen
Stuhl neben meinen und nimmt einen Schluck aus seiner Bierflasche, bezahlt von
dem Geld, das er anständigen Leuten aus der Tasche zieht. Immer die gleiche
Leier: ‚Haste mal ’nen Euro?’ Den soll er sich erst mal verdienen. Schließlich
gibt’s genug Müll in der Stadt. Doch Arbeit kennt dieses Geschmeiß ja nicht.
„Was ist los mit dir, Alter? Biste schlecht drauf?“
Dummes Geschwätz. Wie werde ich den Idioten nur wieder los?
„Lass gut sein und mach dich vom Acker“, fordere ich ihn auf und nehme mir die Getränkekarte vor. Während ich unentschlossen in den Cappuccino Variationen rauf und runter lese, labert er weiter.
„Bist doch auch nur auf der Suche“, sagt er.
„Du sollst dich vom Acker machen. Kapierst du nicht?“
Er fixiert mich mit glasigen Augen.
„Und stell dir vor, du findest, was du suchst, sagen wir mal, du begegnest deiner großen Liebe und beginnst mit ihr ein gemeinsames Leben.“
„Schön“, sage ich, „aber es reicht.“
„Schön hätte es sein können“, fährt er fort. „Doch nach einiger Zeit ist alles weggeflossen, was du aufgebaut hast.“
„Wie das Bier aus der Pulle“, spotte ich und rücke meinen Stuhl weg von seinem.
„Nein, nein, Kumpel, das ist kein Scherz. Stell dir vor, deine große Liebe, sagen wir mal, die Frau deiner Träume, wird von einer unsichtbaren Macht beherrscht.“
„Seltsame Traumfrau.“
„Nicht wahr? Trotzdem willst du sie nicht verlieren. Deine Liebe ist ja stärker als dieser verdammte Stoff. Glaubst du jedenfalls. Du hältst sie fest, hast aber nichts, woran du dich festhalten kannst. Was ist? Starre nicht so auf meine Pulle“, regt er sich plötzlich auf. „Ich weiß, was du sagen willst. Ist aber nicht. Ich bin kein Alki.“
Er wartet auf Antwort, doch was soll ich dazu sagen?
„Aber ich bin noch nicht fertig mit der Geschichte“, blubbert er weiter. „Komm runter von deinem Trip, schreist du, wenn sie, also deine Traumfrau, mal wieder so breit ist, dass sie nicht mehr stehen kann. Sie ist in Tränen aufgelöst, weiß plötzlich nicht mehr, wer sie ist. Ihr ganzer Körper ein Zittern. Notarzt, das ganze Programm.“
„Junkie, kennt man doch.“
„Klar! Irgendwann hast du es satt, belogen und beklaut zu werden. Ihre Betonfresse kotzt dich an. Du willst gehen, doch sie verspricht dir alles, was du willst. Immer wieder. Immer wieder vertraust du.“
„Schön blöde.“
„So einfach ist das nicht. Wenn du dir jemanden vertraut gemacht hast, bist du verantwortlich, dein Leben lang. Nicht gelesen, was? Also eines Tages ist sie verschwunden. Du suchst sie in den Grünanlagen, in der Fußgängerzone, im Einkaufscenter auf dem obersten Parkdeck.“
„Dachte ich mir schon, das liest man dann in der Zeitung, wenn da wieder jemand runtergesprungen ist.“
„Irrtum. Auf dem Parkdeck und unten auf dem Pflaster ist sie nicht. Plötzlich hab ich eine Eingebung, wo sie sein könnte, renne zum Bahnhof, hetze die Treppe hoch, entdecke sie an der Bahnsteigkante, springe hin, krieg noch ihren Arm zu fassen, doch das weiße Ungetüm reißt sie mit, lässt mich mit ausgestreckter Hand zurück.“
Filmreif. Glaubt dieser Simpel etwa, ich falle auf seine Story herein?
„Hör mal zu, Junge“, sage ich. „Seit einer Viertelstunde höre ich mir dein Lamento an, das mich zudem null interessiert. Mitleidtour läuft nicht. Nicht bei mir. Ich hab Feierabend und will jetzt meine Ruhe. Aber das verstehen Leute wie du ja nicht.“
Er springt auf und knallt die leere Flasche auf den Tisch.
„Vergiss es!“, brüllt er. „Heuchler seid ihr alle! Fiese Heuchler!“
Laut schimpfend rennt er durch die Fußgängerzone in Richtung Bahnhof.
Nachdem ich die Getränkekarte auf den Tisch gelegt habe, räumt die Bedienung die Bierflasche weg und zieht Block und Stift aus der Gürteltasche.
„Darf’s etwas sein?“
„Ramazotti, doppelt, ohne Eis.“
„Was ist los mit dir, Alter? Biste schlecht drauf?“
Dummes Geschwätz. Wie werde ich den Idioten nur wieder los?
„Lass gut sein und mach dich vom Acker“, fordere ich ihn auf und nehme mir die Getränkekarte vor. Während ich unentschlossen in den Cappuccino Variationen rauf und runter lese, labert er weiter.
„Bist doch auch nur auf der Suche“, sagt er.
„Du sollst dich vom Acker machen. Kapierst du nicht?“
Er fixiert mich mit glasigen Augen.
„Und stell dir vor, du findest, was du suchst, sagen wir mal, du begegnest deiner großen Liebe und beginnst mit ihr ein gemeinsames Leben.“
„Schön“, sage ich, „aber es reicht.“
„Schön hätte es sein können“, fährt er fort. „Doch nach einiger Zeit ist alles weggeflossen, was du aufgebaut hast.“
„Wie das Bier aus der Pulle“, spotte ich und rücke meinen Stuhl weg von seinem.
„Nein, nein, Kumpel, das ist kein Scherz. Stell dir vor, deine große Liebe, sagen wir mal, die Frau deiner Träume, wird von einer unsichtbaren Macht beherrscht.“
„Seltsame Traumfrau.“
„Nicht wahr? Trotzdem willst du sie nicht verlieren. Deine Liebe ist ja stärker als dieser verdammte Stoff. Glaubst du jedenfalls. Du hältst sie fest, hast aber nichts, woran du dich festhalten kannst. Was ist? Starre nicht so auf meine Pulle“, regt er sich plötzlich auf. „Ich weiß, was du sagen willst. Ist aber nicht. Ich bin kein Alki.“
Er wartet auf Antwort, doch was soll ich dazu sagen?
„Aber ich bin noch nicht fertig mit der Geschichte“, blubbert er weiter. „Komm runter von deinem Trip, schreist du, wenn sie, also deine Traumfrau, mal wieder so breit ist, dass sie nicht mehr stehen kann. Sie ist in Tränen aufgelöst, weiß plötzlich nicht mehr, wer sie ist. Ihr ganzer Körper ein Zittern. Notarzt, das ganze Programm.“
„Junkie, kennt man doch.“
„Klar! Irgendwann hast du es satt, belogen und beklaut zu werden. Ihre Betonfresse kotzt dich an. Du willst gehen, doch sie verspricht dir alles, was du willst. Immer wieder. Immer wieder vertraust du.“
„Schön blöde.“
„So einfach ist das nicht. Wenn du dir jemanden vertraut gemacht hast, bist du verantwortlich, dein Leben lang. Nicht gelesen, was? Also eines Tages ist sie verschwunden. Du suchst sie in den Grünanlagen, in der Fußgängerzone, im Einkaufscenter auf dem obersten Parkdeck.“
„Dachte ich mir schon, das liest man dann in der Zeitung, wenn da wieder jemand runtergesprungen ist.“
„Irrtum. Auf dem Parkdeck und unten auf dem Pflaster ist sie nicht. Plötzlich hab ich eine Eingebung, wo sie sein könnte, renne zum Bahnhof, hetze die Treppe hoch, entdecke sie an der Bahnsteigkante, springe hin, krieg noch ihren Arm zu fassen, doch das weiße Ungetüm reißt sie mit, lässt mich mit ausgestreckter Hand zurück.“
Filmreif. Glaubt dieser Simpel etwa, ich falle auf seine Story herein?
„Hör mal zu, Junge“, sage ich. „Seit einer Viertelstunde höre ich mir dein Lamento an, das mich zudem null interessiert. Mitleidtour läuft nicht. Nicht bei mir. Ich hab Feierabend und will jetzt meine Ruhe. Aber das verstehen Leute wie du ja nicht.“
Er springt auf und knallt die leere Flasche auf den Tisch.
„Vergiss es!“, brüllt er. „Heuchler seid ihr alle! Fiese Heuchler!“
Laut schimpfend rennt er durch die Fußgängerzone in Richtung Bahnhof.
Nachdem ich die Getränkekarte auf den Tisch gelegt habe, räumt die Bedienung die Bierflasche weg und zieht Block und Stift aus der Gürteltasche.
„Darf’s etwas sein?“
„Ramazotti, doppelt, ohne Eis.“
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